BSB-Vertrauensanwältin Manuela Reibold-Rolinger aus Bodenheim bei Mainz weiß mehr zu den Konflikten beim privaten Hausbau und dem Umgang zwischen Bauherren und Bauunternehmer.
Frau Reibold-Rolinger, Sie arbeiten nicht nur als auf Baurecht spezialisierte Fachanwältin, sondern schlichten auch Konflikte direkt auf privaten
Baustellen. Worüber gibt es die meisten Auseinandersetzungen?
Die häufigsten Konfliktthemen sind Mehrkosten, Zeitverzug beim Bauen, schleppende oder verweigerte Mängelbeseitigung und
Streit darüber, was eigentlich vertraglich geschuldet ist. Jedem Bauherrn muss bewusst sein, dass es keine Baustelle ohne Bauablaufstörungen gibt. Dennoch lassen sich Probleme aus dem Weg räumen. Ich habe mit der leider noch zu selten praktizierten Schlichtung erstaunlich gute Erfahrungen gemacht. Sitzen auf der Baustelle alle an einem TIsch ‑der Bauherr unbedingt mit einem eigenen Sachverständigen ‑kommt man oft zu einem schnellen Ergebnis, das beiden Parteien gerecht wird und eine kostenintensive lange gerichtliche Auseinandersetzung erspart.
Wie können Bauherren selbst Konflikten vorbeugen?
Zunächst müssen sie sich vergegenwärtigen, dass der Bau eines Eigenheims kein Spaziergang ist. Voraussetzung für einen reibungslosen Bauablauf ist gute Vorbereitung, kompetente Baubegleitung und das Handeln in eigener Sache. Ein ausgewogener Bauvertrag samt detaillierter Leistungsbeschreibung, die beide den Pflichten des Bauunternehmers und den Rechten des Bauherrn entsprechen, bilden die Basis.
Nehmen wir die Planung. Darf ein Unternehmen den Bauherren Planungsänderungen mit oft erheblichen Mehrkosten in Rechnung stellen?
Einseitig darf ein Unternehmen die Planung nicht ändern, sondern nur in Absprache mit dem Bauherren. Und das Unternehmen muss auch die zu erwartenden Mehrkosten beziffern. Was Bauherren zugemutet werden kann, ist vom Einzelfall abhängig. Oft entstehen Mehrkosten durch Kalkulationsfehler oder Zeitverzug soll durch ein anderes ‑teureres ‑Verfahren aufgeholt werden. Das muss der Bauherr nicht zahlen.
Ein häufiges Ärgernis sind auftretende Baumängel. Was müssen Bauherren beachten?
Sofort handeln, nicht abwarten! Nicht nur anrufen, sondern schreiben! Mängel müssen gegenüber dem Unternehmer schriftlich angezeigt werden. Diese sind deutlich zu benennen, wobei eine symptomatische Beschreibung wie “der Keller ist feucht” reicht. Der Bauunternehmer wird unter Fristsetzung zur Mängelbeseitigung aufgefordert. Im Schreiben ist darauf hinzuweisen, dass nach fruchtlosem Ablauf der Frist eine Ersatzfirma mit Mängelbeseitigung oder Fertigstellung beauftragt wird, die Kosten dafür vom säumigen Unternehmer gefordert werden und er sein Nachbesserungsrecht verliert.
Und wenn tatsächlich nichts passiert?
Ist die Frist, eventuell auch eine Nachfrist, abgelaufen, kann der Bauherr das Unternehmen für Mängelbeseitigungskosten in Anspruch nehmen. Klug ist, wenn er bis dahin die Abschlagzahlungen nur nach Baufortschritt geleistet hat. Dann hilft ihm sein gesetzliches Zurückbehaltungsrecht. Zusätzlich sollte ein Sachverständiger den Umfang der Mängelbeseitigung dokumentieren und die Kosten beziffern. Die doppelte Höhe der zu erwartenden Beseitigungskosten darf einbehalten werden.
Was ist zu tun, wenn sich die Bauzeit verzögert oder auf der Baustelle nichts mehr passiert? Den Vertrag kündigen?
Auch hier gilt: Wenn der Bau eingestellt wird, schriftlich zur Fortsetzung der Arbeiten auffordern und diese auch zulassen. Auf keinen Fall sollte ein Bauvertrag vorschnell gekündigt werden! Zwar ist die Auflösung des Bauvertrages häufig das letzte Mittel. Bauherren müssen sich jedoch darüber im Klaren sein, dass sich die Konflikte danach fortsetzen können. Der Bauvertrag kann auch durch Rücktritt oder einvernehmliche Vertragsaufhebung beendet werden. Letztere ist die elegantere Lösung und schließt Überraschungen in der Zukunft aus. Immer jedoch sollten Bauherren das Beenden eines Vertragsverhältnisses sorgfältig abwägen und unbedingt anwaltlich begleiten lassen. Denn bei einer so genannten freien Kündigung begeben sich Bauherren in die Gefahr, erheblichen Schadenersatz an den Bauunternehmer zahlen zu müssen.
Häufig zeigt sich bei der Schlussabnahme, dass nicht alle Arbeiten erledigt und zahlreiche Mängel vorhanden sind. Wie sollten sich Bauherren in diesem Fall verhalten?
Sie sollten die Abnahme mit einem eigenen Sachverständigen ‑beispielsweise einem Bauherrenberater vom Bauherren-Schutzbund-gut vorbereiten. Das heißt: auf Mängel bereits vorab hinweisen, sie detailliert auflisten und von ihrer Beseitigung die Abnahme abhängig machen. Das ist ganz wichtig! Denn mit dem Tag der Abnahme gilt die Beweislastumkehr und der Bauherr muss beweisen, dass ein Mangel vorliegt und der Unternehmer ihn verschuIdet hat. Ist bei Zeitverzug eine Vertragsstrafe vereinbart. sollte diese im Abnahmeprotokoll vorbehalten werden. Auch Kosten für Unterbringung, weil beispielsweise der Mietvertrag der alten Wohnung bereits gekündigt war, können in Rechnung gestellt werden. Die letzte Abschlagzahlung sollte erst geleistet werden, wenn alle Mängel beseitigt sind. Auch hier kann der Bauherr von seinem Zurückbehaltungsrechl Gebrauch machen.
Bauherren setzen in der Regel voraus, zum Schluss auch Planungsunterlagen und technische Unterlagen ausgehändigt zu bekommen, um vereinbarte Standards und Garantieansprüche nachprüfen zu können. Ist das so?
Nein, da ist die Rechtsprechung ziemlich uneinheitlich und meist nicht im Sinne der Bauherren. Nur was vorab vertraglich vereinbart wurde, wird ausgehändigt. Weil Bauunternehmen da zögerlich sind, sollten Bauherren alles, was sie später an Unterlagen haben möchten, in den Bauvertrag aufnehmen. Ein Ausweg: Bei wichtigen Plänen kann man sich an das Bauamt wenden. Dort liegen zumindest die Statik-und die EnEV-Berechnung für die Genehmigung des Bauvorhabens.
Wie lautet Ihr kurz gefasster Rat an die Bauherren?
Prävention statt teurer Gerichtsstreitigkeiten: Bauherren sollten sich mit dem Bauvertrag intensiv befassen, sich vor Vertragsunterzeichnung rechtlich und
bautechnisch beraten lassen, mit baubegleitender Qualitätskontrolle und klarer Kommunikation den Bauablauf überwachen und Konflikte mit einem auf Verbraucherbaurecht spezialisierten Anwalt lösen.
Interview: Bettlna Erdmann
Bauhenen·Schutzbund e.V. ( IRin 0661 )