In vielen Hausprospekten für Bauverträge mit Verbraucherbauherren wird die Errichtung des Hauses „schlüsselfertig“ angeboten.
Solche Verträge werden aus Sicht des Bauherrn in der Regel so verstanden, dass der Begriff „schlüsselfertig“ einschränkungslos gelten soll.
Dies ist jedoch nach der Rechtsprechung in den meisten Fällen nicht der Fall.
Da in der Regel neben der in den Angebotsunterlagen angebotenen schlüsselfertigen Bauererrichtung eine Bau- und Leistungsbeschreibung vereinbart wird , ist die Leistungspflicht des Unternehmers und der vereinbarte Festpreis keinesfalls pauschaliert. Es gilt das, was im Einzelnen vereinbart wurde.
In der Regel ergeben sich bei einer ungenauen und unvollständigen Bau- und Leistungsbeschreibung, trotz der versprochenen schlüsselfertigen Errichtung, für die Bauherren unvorhergesehene Mehrkosten.
Zuletzt hat das OLG Koblenz mit Urteil vom 30.05.2008 entschieden, dass bei der Auslegung des Begriffs „schlüsselfertig“ der komplette Vertragsinhalt heranzuziehen und entsprechend auszulegen ist.
Auch der BGH hat in seiner Entscheidung vom 13.03.2008 klar zum Ausdruck gebracht dass, wenn eine Leistung als „schlüsselfertig“ angeboten ist, nicht automatisch zu Lasten des Unternehmers von einer grundsätzlich komplett pauschalierten Leistung ausgegangen werden kann.
Keinesfalls , so der BGH , erschließt sich der Inhalt einer Leistungsverpflichtung des Auftraggebers aus einem phrasenhafte Begriff wie „ schlüsselfertig „ oder „komplett“, sondern aus dem Kontext des gesamten Vertrages.
Da neben der Formulierung „schlüsselfertig“ in der Regel auch eine Leistungsbeschreibung vereinbart wird, ist der Vertrag so auszulegen, dass anhand aller Vertragsunterlagen und unter Berücksichtigung aller Umstände des Vertragsabschlusses Rechnung zu tragen ist.
Das OLG Koblenz macht in seiner Entscheidung zwar deutlich, dass durch die Formulierungen „schlüsselfertig“ und „Festpreis“ regelmäßig nicht nur der Preis sondern auch die Leistung pauschaliert ist, die für eine Errichtung eines Einfamilienhaus erforderlich und vorhersehbar ist. In den meisten Fällen ist jedoch gerade keine pauschalierte Leistung vereinbart, mit der Folge, dass nur das vertraglich vom Unternehmer geschuldet ist, was in der Bau- und Leistungsbeschreibung enthalten ist.
Der private Bauherr darf sich daher nicht auf den Begriff „schlüsselfertig“ verlassen, sondern muss an der Gestaltung des Herzstücks des Vertrages, der Bau- und Leistungsbeschreibung, mitwirken, den Inhalt verstehen, umsetzen und für sich entscheiden, ob der zu zahlende Preis für die vereinbarte Leistung angemessen ist.
Unter Zugrundelegung der vorgenannten Entscheidungen sind daher folgende Empfehlungen auszusprechen:
Tipp:
- Vor Unterzeichnung des Bauvertrages einen baubegleitenden Qualitätskontrolleur hinzuziehen, der die angebotene Baubeschreibung mit dem Ziel analysiert, Unklarheiten auszuräumen und die Baubeschreibung für den Bauherr verständlich zu machen.
- Eigene Definition des Bauherrn bezüglich des gewünschten Vertragsinhaltes und des Festpreises unter zu Hilfenahme z.B. der Broschüre „Mindestanforderung an Bau- und Leistungsbeschreibung“.
- Ergänzungen der Baubeschreibung gemeinsam mit dem Unternehmer und dem hinzugezogenen Fachmann konkretisieren und gestalten.
- Vertrag nur unterschreiben, wenn das, was in der Baubeschreibung enthalten ist, verstanden wurde und aus Sicht des Bauherrn vollständig ist.
Zwar erfordert diese Prüfung und Ergänzung der Bauleistungsbeschreibung eine gewisse Anstrengung. Sie lohnt sich jedoch, da nur die konkrete und vollständige Baubeschreibung vor Überraschungen schützt. Die besten Verträge sind bekanntlich die, die nach Unterzeichnung nicht zur Definition des Vertragsgegenstandes nochmals aus der Schublade geholt werden müssen.
Fazit:
In der Regel wird der Begriff „schlüsselfertig“ so verstanden, dass man darunter die Erreichung des Vertragszweckes nach den Regeln der Technik, die für ein zweckgerechtes und mangelfreies Bauwerk erforderlich und vorhersehbar ist, annimmt.
Ob die Parteien eine derart pauschalierte Leistung vereinbart haben, ist durch Auslegung der von den Parteien konkret getroffenen vertraglichen Vereinbarung zu ermitteln.
Hierzu gehört die Bauleistungsbeschreibung, die die Leistungspflicht des Unternehmers konkret definiert. Die Baubeschreibung hat Vorrang vor der allgemeinen Auslegung eines Pauschalbegriffs wie „schlüsselfertig“. Sie ist der wichtigste Meilenstein des Vertrages.
Der Unternehmer schuldet die Leistungen, die in der Leistungsbeschreibung konkret beschrieben wurden, die dort nicht enthaltenen Leistungsbilder sind nicht geschuldet, auch wenn der Begriff „schlüsselfertig“ in den Angebotsunterlagen enthalten war.
Der Unternehmer ist damit nicht verpflichtet, im Rahmen der mit den Parteien geschlossenen Vertrages auch solche Leistungen zu erbringen, die nach dem Leistungsverzeichnis ausdrücklich ausgenommen waren, auch wenn sie üblicherweise bei einer pauschalierten Vereinbarung des Leistungsumfangs vom Begriff „schlüsselfertig“ mit umfasst werden kann.
Die Konsequenz aus der Rechtsprechung ist, dass die Unklarheit und Unvollständigkeit der Baubeschreibung zu Lasten des Bauherrn zu Mehrkosten führt, die in der Regel nicht kalkuliert sind.
Auch der Begriff „Festpreis“ kann sich nur auf den in der in der Baubeschreibung enthaltenen Leistung beziehen.
Der von der Klägerin angebotene Pauschalpreis deckt die von ihr angebotene Leistung in der von ihr angebotenen Qualität ab. Grundsätzlich ist, mangels Vorbehalt eine Preisänderung, jeder vereinbarte Preis ein Festpreis. Was die Benennung als Festpreis im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung bedeutet, wird durch die Gerichte durch Auslegung ermittelt.
Die Baubeschreibung muss alle notwendigen und gewünschten Leistungen enthalten. Auf den Begriff „schlüsselfertig“ darf sich der Bauherr nicht verlassen.
Manuela Reibold-Rolinger
Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht
Schlichterin SOBau