Wirksam geschlossene Bauverträge können durch die Erklärung einer Vertragspartei jederzeit beendet werden. Dennoch sollte dies nicht ohne fachanwaltliche Beratung erfolgen, denn eine Kündigung birgt viele finanzielle Risiken. Was alles zu beachten ist, erläutert Rechtsanwältin Manuela Reibold-Rolinger, Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht und Vertrauensanwältin des Bauherren-Schutzbund e.V.
Freie oder außerordentliche Kündigung
Der Bauherr hat ohne Vorliegen besonderer Gründe immer die Möglichkeit, das Vertragsverhältnis durch eine so genannte freie Kündigung zu beenden. Es sind dabei unbedingt die finanziellen Folgen der Kündigung zu beachten. Grundsätzlich bleibt der Auftraggeber dem Auftragnehmer nämlich zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, denn es gilt der Grundsatz: „ pactas sunt servanda“ – Verträge sind bindend. Die Folge ist dann, dass der Bauunternehmer nach einer freien Kündigung durch den Bauherren seinen vollen Werklohn fordern kann. Von seinem Vergütungsanspruch muss er sich nur dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart hat. Das kann für den Bauherren sehr teuer werden, denn er ist zur Zahlung des vereinbarten Werklohnes verpflichtet und erhält dafür keine Gegenleistung.
Die zweite Kündigungsart ist die außerordentliche Kündigung. Diese ist dann möglich, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer so gestört ist, dass dem Auftraggeber ein weiteres Fortführen des Vertrages nicht zumutbar ist. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Auftragnehmer grobe Mängel verursacht und sich weigert diese zu beseitigen oder der Auftraggeber die Baustelle nicht fortführt. Nicht zumutbar ist die Weiterführung des Vertrages auch, wenn durch den Bauunternehmer Täuschungshandlungen hinsichtlich der Abrechnungsmodalitäten oder der Qualität der Ausführung vorgenommen werden. Gründe können weiterhin sein die unberechtigte Drohung mit Arbeitseinstellung oder die Zahlung von “Provisionen” an den Architekten des Bauherren.
Rechtliche Möglichkeiten ausschöpfen
Die VOB/B sieht zusätzlich zu den Möglichkeiten des BGB-Vertrages weitere Kündigungsmöglichkeiten für den Bauherrn vor, danach ist der Bauherr zu einer Kündigung (schriftlich) berechtigt, wenn der Bauunternehmer seine Arbeiten einstellt oder das Insolvenzverfahren beantragt, eröffnet oder mangels Masse abgelehnt wird.
Die ausgeführten Leistungen sind im Kündigungsfall nach Vertragspreisen abzurechnen und der Bauherr hat darüber hinaus die Möglichkeit, Schadensersatz vom Auftragnehmer zu verlangen. Der Bauherr kann einen VOB-Vertrag mit derselben Folge auch dann kündigen, wenn der Auftragnehmer mit der Mängelbeseitigung vor Abnahme in Verzug ist und eine dem Auftragnehmer gesetzte Frist nutzlos verstrichen ist.
Ein weiterer in der VOB/B normierter Kündigungsgrund ist für den Auftraggeber dann gegeben, wenn sich nach Vertragsschluss herausstellt, dass der Auftragnehmer anlässlich der Vergabe des Auftrages Preisabsprachen mit anderen Firmen vorgenommen hat. Die Kündigung ist hier zwingend schriftlich binnen einer Frist von 12 Werktagen nach Bekanntwerden der Preisabsprachen auszusprechen. Auch in diesem Fall steht dem Auftragnehmer Vergütung für bereits erbrachte Leistungen zu, der Auftraggeber kann auf der anderen Seite Schadensersatzansprüche stellen.
Schließlich hat der Auftraggeber die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen, wenn die Baustelle für eine längere Zeit als drei Monate unterbrochen ist.
Kündigung nicht ohne Fachanwalt
Bei der Kündigung von Verträgen gibt es viele juristische Klippen, so zum Beispiel zur Frage der „ Zumutbarkeit“. Deshalb ist dringend zu raten, vor einer Kündigung aus wichtigem Grund einen Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht zu Rate zu ziehen. Aufgrund des vorliegenden Vertrages, der Korrespondenzen und der Umstände des Einzelfalls prüft er, ob ein wichtiger Kündigungsgrund vorliegt und die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses tatsächlich für den Bauherren unzumutbar ist.
In vielen Fällen muss vor der Kündigung eine Kündigungsandrohung mit Fristsetzung durch den Auftraggeber erfolgen. Die Kündigungserklärung ist aus Beweisgründen in schriftlicher Form abzufassen. Sie sollte sämtliche Gründe enthalten, die zur außerordentlichen Kündigung geführt haben und per Einschreiben Rückschein zugestellt werden.
Die außerordentliche Kündigung kann und darf immer nur ultima ratio sein. Bauherr und Bauunternehmer sollten sich zur Kooperation und zur einvernehmlichen Beilegung von Streitigkeiten auf der Baustelle verpflichtet fühlen. Ist die Kündigung unausweichlich, sollte sie nicht ohne Rücksprache mit einem Fachanwalt ausgesprochen werden. Die Kündigung, sobald sie erklärt ist, ist eine meist unwiderrufliche Willenserklärung!
Im günstigsten Falle sollte das Vertragsverhältnis einvernehmlich aufgehoben werden. Nur so haben beide Vertragsparteien eine dauerhafte Rechtssicherheit. Vertrauensanwälte des Bauherren-Schutzbundes sind in all diesen Fragen kompetente Ansprechpartner für private Bauherren.
Bautenstand feststellen
Für alle Fälle der Kündigung sollte bereits im Kündigungsschreiben die Auftragnehmerin zu einem Abnahmetermin eingeladen werden, um den Bautenstand zum Zeitpunkt der Vertragskündigung zu dokumentieren. Damit wird festgestellt, ob die erbrachten Leistungen dem gezahlten Werklohn entsprechen oder nicht und ob diese durch den Auftragnehmer mangelfrei erbracht sind. Da sich durch die Kündigung des Vertrages das Erfüllungsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis wandelt, ist eine Abnahme im Interesse beider Vertragsparteien.
Bei der Ermittlung des Bautenstandes und der Dokumentation bestehender Mängel sollten private Bauherren fachmännische Unterstützung durch Bauherrenberatern des BSB in Anspruch nehmen. So wird der Abnahmetermin durch einen Sachverständigen begleitet, der in der Lage ist, den Status am Bau mit dem Leistungsverzeichnis zu vergleichen und die Werthaltigkeit der Zahlungen festzustellen.